Dieser Text ist in fünf Fortsetzungen erschienen in der Kreiszeitung
Wesermarsch von 1966 bis 1968 .
Das ist jetzt auch schon 35 Jahre her. Den Titel habe ich aber so gelassen.
In meinen Jugendjahren zwischen den beiden großen Kriegen hörte
ich gerne aus alten Zeiten erzählen. Es liegt ein klein wenig Romantik
darin, sich die Landschaft von einstmals vorzustellen mit ihren langgestreckten
Häusern, auf Wurten gelegen oder auf Erhö-hungen, welche Reste
alter Deiche waren, Bauerngehöfte mit Graft und Wall und den niedrigen
strohgedeckten Katen mit tief herabhängenden Dächern, unter hohen
Bäumen oft oder unter dem Deich versteckt.
Außerdem erfuhr man aus den Erzählungen "ut ole Tieden"
von den Sitten und Gebräuchen, von Freud und Lust und Leid der guten
alten Zeit. Man konnte sich wundervoll daran ergötzen und durchaus
noch etwas daraus lernen, wenn man auf den Wandel bzw. Bestand der Dinge
um die Familien und ihren Besitz Acht gab. Ein Bild aus dem Jahre 1893
mag einmal der Ausgangspunkt dieser Überlegungen sein.
Hier sehen wir also die Iffenser Stammtischrunde. Die kleine zu Stollhamm
gehörende Bauernschaft Iffens mit nur 30 Häusern und ihren Bewohnern
war zu jener Zeit weit über die Gemeindegrenzen hinaus rühmlich
bekannt. Stammtischbesuchern und Nicht-Stammtischbesuchern unserer Tage
mag es interessant sein zu erfahren, daß damals ein jeder Bauer zum
Stammtisch gehörte und daran teilnahm. Am Sonnabend ging man sonst
nicht auf Besuch, und kam etwa Besuch, so war der Hausherr recht verdrießlich.
Abends zwischen 7 und 8 Uhr konnte man sie von ihren Höfen herkommen
sehen, gehäbige Gestalten in schwerer, schwarzer Kleidung. Mit festem,
fast eiligem Schritt, den Handstock zur Rechten, gingen sie längs
der Land-straße, alle dem einen Ziel entgegen. Ernst das (meistens)
bärtige Antlitz, doch innerlich frohen Sinn's: "'t is Kroogabend".
Jeder, der solch einem begegnete oder von Tür und Fenster ihn
gehen sah, wußte und sagte sich ehrerbietig: "'t is Clubabend bi
Carl Lang'." Weit und beschwerlich war der Weg, den einzelne sogar von
Roddens, von Mitteldeich und von Kirchhöfing her machten.
Die allgemeine, regelmäßige Teilnahme war die erste Regel;
sagen wie einmal im ungeschriebenen Statut der Stammtischordnung der Punkt
Nr. 1. Fehlte jemand, wurde lang und breit erörtert, was da wohl los
sein könnte. Angesehen vom jeweiligen Lehrer der Schule waren sie
alle Bauern. Nehmen wir als Punkt 2: Es waren freie Bau-ern, die sich in
zwangloser Weise versammelten, ohne Präsidentschaft, ohne Wortführer;
jeder war sein eigener Herr. Sie fühlten sich in ihrer Rechtschaffenheit
und ihrem Wohlstand niemandem ver-antwortlich oder verpflichtet und doch
unterwarfen sie sich streng einer Sitte und einem gewissen Brauchtum, und
zwar für den Preis der Geselligkeit und des öffentlichen Ansehens.
Zeitweilig ging es hoch her. Am Trinken, Spielen, Wetten hatte man seinen
Spaß und seinen Sport. Punkt 3 verbot die gleichzeitige Mitgliedschaft
zu Abstinenzlerbünden. Punkt 4: Man durfte kein Geizkragen sein. Punkt
5 der Stammtischordnung verpflichtete die Teilnehmer dazu, die Unterhaltung
zu pflegen mit Gesprächen über Neuigkeiten, in Gedanken- und
Meinungsaustausch über Landwirtschaft und Politik u.a.
Ein Prosit der Gemütlichkeit ...
Versuchen wir aus den Gepflogenheiten am Stammtisch unser nachträgliches
Statut weiterzubauen, so müßte als Punkt 6 erwähnt werden,
daß es ungehörig war, in langen Monologen das Wort an sich zu
reißen, so daß stets die jeden anregende, niemand ermüdende
Wechselrede herrschte und als Punkt 7, daß kein Streit aufkommen
durfte. Es mochte vorkommen, daß zwei sich nicht gut leiden konnten,
aber darum mied keiner von beiden den Stammtisch, und der Wirt sorgte schon
dafür, daß sie nicht gerade nebeneinander saßen. Punkt
8 deshalb: Es lebe Iffens und Iffenser Nationallied: "Unser Iffens geht
nicht unter, geht auch alles drauf und drunter usw. ... unser Iffens obenauf!"
Getrunken wurde Bier aus Maßkrügen oder sogenannten Deckelschoppen
mit eingraviertem Namen. Aus besonderen Anlässen wurde "Mathilde"
herumgereicht, ein Eierkognak in einem großen Kelch. Geraucht wurde
die lange Pfeife, deren jeder eine extra für den Stammtisch besaß
und welche ihren Platz an der Wand der Gaststube hatte. Das Reinigen der
Pfeife war Aufgabe des Wirtes, dem es auch Ehrensache war, daß die
Deckel der Maßkrüge so geputzt waren, daß man sich darin
spiegeln konnte. Vater Lange hielt mächtig auf sich und den Ruf seines
Lokals: Mit dem Leuchter in der Hand und den Kamm in der anderen, wurde
vor dem Spiegel der Scheitel noch schnell gerade gezogen.
Pantoffel unter dem Kronleuchter
Am Abend war Volksball. Die Mädchen erschienen in vollem Staat,
das bedeutete, daß sie sich eine halbe weiße Schürze vorbanden.
Heil und ganz, gibt schlichtem Kleide Glanz. Und lebhaft genug ging es
bei dem Lampen- und Krezenlicht auch zu. Um 1 Uhr nachts wurde ein Filzpantoffel
unter den Kronleuchter gehängt, zum Zei-chen, daß der Ball zu
Ende war, eine Wiederholung fand erst zum Erntefest statt.
Die Kinder hatten in Iffens schon zu Ostern wieder ein besonderes Vergnügen
beim Prachtfeuerwerk; dann beim Schulausflug und schließlich zu Weihnachten.
Die Kinder spielten am liebsten bei Schuster Hadeler oder in der Zimmerwerkstatt
von Gerhard Lübben, wo man so gütig und duldsam mit der Jugend
war, daß man alle Werk-zeuge ausprobieren durfte, auch auf die Gefahr
hin, daß sie dabei gründlich stumpf gemacht wurden. Wenn die
Kinder bei Schuster Hadeler waren und der Schweinekofen gerade zurechtgemacht
worden war, so bauten sie sich dort eine "Stube" zurecht. Nirgends war
es schöner als bei "Onkel Hadeler" auf dem Schusterbock und wo schmeckte
es wohl so gut wie bei Hadelers - die Speckeneier aus der mitten auf dem
Tisch stehenden Pfanne. Über Hadeler ist noch mehr zu berichten.
Verweilen wir noch einen Augenblick bei den Freuden der Kinder, die
man mit viel Liebe und Sorgfalt vorbereitete. Emil Janßen ver-kleidete
sich mit einem von Schuster Hadeler angefertigten rauhen Rock aus Fellen
und Pelzen als Weihnachtsmann und ritt auf einem Schimmel unter die Fenster.
Die Kinder mußten ein Gebet aufsagen und bekamen dann Kuchen und
Nüsse. Es war unbeschreiblich schön. Auf Ausflügen kaufte
Emil Janßen sämtliche Automaten los und veranstaltete ein lustiges
Gribbelgrabbel für die Kleinen. Wenn Schnee lag, ging er extra die
kleine Dorfstraße hinunter, um sich werfen zu lassen und dann mit
dem Zeigefinger zu drohen, was den Kindern natürlich unheimlichen
Spaß machte. Vor dem Schuleintritt wurden die Kinder von Lehrer Düser
in die Klasse eingeladen. Dann mußten ein paar Jungens auf den Hausboden
gehen und den "Pflaumenbaum schütteln". Die Jungens ließen oben
Kartoffeln auf die Klassenzimmerdecke fallen und kamen mit Backpflaumen
von Carl Lange wieder zur Klasse herein. Mußte das aber schön
sein in der Schule, was?! Daß übrigens jedes Kind wußte,
wann Vater und Mutter Lange's Geburtstag war, hatte auch seinen besonderen
Grund. Bei Mutter Düser war es ebenfalls sehr schön, denn dort
gab es Honig auf's Brot. Die großen Jungens waren wie überall,
sie heckten oft ihre Dumm-heiten aus. So hatten sie einmal hinten in der
Leegde ein ganzes Weideheck für ein "Lagerfeuer" gebraucht und bei
demselben Bauern, der Junggeselle war, sich den Übergang über
einen Graben erleich-tert, indem sie eine Furt aus aufgeworfener Grüppenerde
bauten: Slüngels weern dat!
"Ut min Hus sund all Doktors hervorgaan ..."
Die Bedeutung des Hauses Hadeler für Iffens lag nun nicht allein
darin, daß es eine seltsame Anziehungskraft auf die Kinder aus-übte.
Auch die Erwachsenen, die reichen Bauern, der Lehrer, die studierenden
Lehrersöhne usw. fanden sich gerne in der Schuster-werkstatt ein.
Das war die Börse, dort wurde "klönt un klook-snackt." Der bekannte
Oldenburger Nervenarzt Dr. Düser, Sohn des damaligen Lehrers in Iffens,
verbrachte manche Stunde bei Hadeler. Er liebte die Werkstatt so, daß
er sie später seiner aus Süddeutschland stammenden Braut vorführte.
Mutter Hadeler wollte einen Stuhl hereinbringen, aber Dr. Düser bestand
darauf, daß seine Braut auf einem Schusterbock Platz nehme: "Dor
hebb ick ok ummer seeten!"
Der nachfolgende Lehrer Witthus alsdann, kam genau so gerne und häufig
in die Werkstatt, wie auch sein Sohn, heute Dr. Witthus in Oldenburg. Der
jetzige Lehrer in Iffens hat seine Kinder auch noch zu dem alten Hadeler
gehen sehen: "Laat de Kinner man ruhig herkamen, ut min Huus sund all Doktors
hervorgaan!" Oma Hadeler, welche jetzt in Stollhamm wohnt, lobte dem Verfasser
dieser Zeilen gegenüber besonders die Eintracht, die in Iffens herrschte.
Das galt auch für das Verhältnis zu dem Nachbarn und Konkurrenten
Schuster Renken. Wenn der mal etwas viel Arbeit hatte, schickten Hadelers
ihre Gesellen hinüber: Helpt em man mal! Auch beim Heuen halfen sie
sich gegenseitig.
Eine Totenklage
Ganz verklärt sprachen sie über ihren "Schuster Hadeler",
diese Hans-Sachs-Figur im kleinen Iffens, diesen Philosophen voller Humor,
Gütigkeit und Zufriedenheit. Wohl war die Wohnung äußerst
primitiv und der Lebensunterhalt bei dem Kinderreichtum recht dürftig
gewesen und doch war ihnen die Erinnerung an alles um das Haus Hadeler
eine einzige Glückseligkeit aus früheren Tagen. Herr Dr. Düser
gab mir eine von ihm verfaßte Totenklage in die Hände und erlaubte
mir, sie auszugsweise hier wiederzugeben:
An Friedrich Hadeler, gest. Sept. 1945
Du guter Mann O, hütend einst der Kindheit Tage mir! Mein Freund. Als mir die Nachricht Deines Todes kam. Nun schattet und umhüllt mich dunkle Trauer Als wär' mit Dir die süße Kindheit mir Entflohn, als wär' mit Dir ein Köstliches Von mir ins enge Grab gesunken. Als wäre ausgestoßen ich aus dem Vertrautesten Bereich und dürfte nun Zurück nicht kehren in den sanften Zauber. Ja, wenn wir am Hause saßen auf der alten Bank Nach allem Drang des Tages. Mit Stammeln dann zu reden von dem Letzten, Vom Werden, vom Vergehen, neuem Weh, Vom Auferstehen und immer neuem Leben. Wie Kinder träumten ungemessen wir, Und schufen Welten und wir ließen kreisen Die Sterne; Sonnen drinnen vollendeten Die Bahn. Wir dachten Erden, bessere, Die jenseits in verklärtem Glanze schwangen, Und Weisheit, die sich dort Vollendung schuf Und ließen Menschen höheren Wesens dort In schöner Ordnung, frommen Einklag sein Wie heiter war das Haus. In Deiner Schusterwerkstatt klang der Hammer ...Dr. Düser und Dr. Witthus baten mich, die etwas vom kleinen Dorf Iffens abseits gelegene Zimmerei von Gerhard Lübben nicht uner-wähnt zu lassen. Das war abend ein Treffpunkt der Iffenser und vieler, vieler auswärtiger Freunde und Bekannten. Mutter Lübben war lebhaft und hatte immer gleich den Kaffee fertig. Vater Lübben dagegen war still und sehr belesen. So fingen sie sich die große Welt, welche sie nie gesehen, in ihr gemütliches Heim ein, zufrieden und glücklich. Lübbens konnten das seltene Fest der eisernen Hochzeit feiern: "Wi hebbt all Hochtieden harrt", sagte Vater Lübben, damals über 90 Jahre alt, "bloot de holten Hochtied noch nich ..."
Und die großen Bauernwirtschaften
Jetzt noch einiges über die großen Bauernwirtschaften in
Iffens. Als einen der drei bzw. vier Brennpunkte des geselligen Lebens
in Iffens nannten wir bereits den in unmittelbarer Dorfnähe befindlichen
Bauernhof, sein Besitzer Emil Janßen wurde im Laufe unserer Schilderung
ebenfalls bereits erwähnt. Er, ein vermögender Mann, war der
große Freund der Kinder, ein guter Gesellschafter, er huldigte verschiedenen
Liebhabereien und scheute keine Kosten, wenn etwas bei der Allgemeinheit
und bei ihm selbst Spaß und Interesse erregte.
Natürlich war Emil Janßen Stammgast bei Carl Lange und oft
in der Werkstatt von Hadeler anzutreffen, deren Häuser übrigens
auch ihm gehörten. Er war der große Spender zu Weihnachten und
Ostern. Er kaufte viele Teertonnen und auch eine Menge Raketen beschaffte
er persönlich. Er sorgte für alles. Damit die alten Leute beim
Osterfeuer Schutz vor Wind und Kälte fanden, ließ er Wagen mit
Kuhdek-ken behängen und aufstellen. Seine Rolle zu Weihnachten und
bei Ausflügen erwähnten wir schon früher. Er machte die
Ausflüge der Volksschule mit, obgleich seine Töchter die Privatschule
besuchten. Er war der große Wohltäter, indem er Feldpostpakete
packte und aus seinem Eiskeller für die Kranken der ganzen Gegend
Eis zur Verfügung stellte. Für die Gründung der Molkerei
zeichnete er 82.000 Goldmark, nachdem er die Hofstelle Pumpe verkauft hatte.
Emil Janßen förderte auch dit geldlichen Mitteln das Zustandekommen
der Feuerwehr und die Gründung des Turnvereins. Er regte die Elektrifizierung
an; schließlich wurde er Gemeindevorsteher.
Sammler und allen Neuerungen zugetan
Zu seinem Privatvergnügen hielt er sich einen Landauer. Das Ge-spann,
zwei prächtige Rappen, trug Geschirr mit Beschlägen aus Neusilber.
Seine Töchter fuhren ein Ponygespann. Emil Janßen protegierte
den Kunstmaler D. Schüßler aus dem Rheinland, der ihm die Iffenser
Höfe und sonstige Motive der Marschenlandschaft malte. Er besaß
selbst den ersten Fotoapparat in dieser Gegend und hatte eine große
Sammlung ausgestopfter Vögel. In seinem parkartigen Garten hielt er
zwei Rehe, ferner Schwäne, Goldfasanen und Eichhörnchen. Seine
Landwirtschaft und Pferdezucht ergänzte er aus besonderer Liebhaberei
um eine große Kaninchenzucht und umfangreiche Bienenhaltung. Sei
Geburtstag war der 14. Juli und wurde mit einem prunkvollen Feuerwerk gefeiert,
wie am selben Tag in Paris der Nationalfeiertag.
Die kleine Republique d'Iffense
Iffens war aber auch Klein-Paris und Emil Janßen war etwa der
Präsident der kleinen Republique d'Iffense. Die Geschichte der Janßenschen
Dynastie legte er in einem prächtigen Band "Chronik der Familie Janßen
zu iffens und zu Osterhausen" nieder. Darüber wird später noch
zu reden sein. In Stollhamm, wo er schließlich privatisierte, betraute
Emil Janßen den Lehrer Nagel damit, die Geschichte der Gemeinde Stollhamm
zu schreiben. Bis 1933 übte er dort noch das Amt des Gemeindevorstehers
aus. Das Gemeinderechnungswesen versah der Auktionator und Sparkassenrendant
A. Schumacher, alle anderen Arbeiten, einschließlich Arbeitsvermittlung,
Stempelgelder und Wohlfahrtsan-gelegenheiten und Unterstützungszahlung
verwaltete er allein mit seiner Ehefrau, die von einer seltenen Rührigkeit
war, jedem ein gutes Wort gönnte und trotz frühzeitigen Todes
ihrer zwei Töchter und ihres einzigen Enkels ungebrochen war.
Namen aus fernen Tagen
Der häufig wiederkehrende Name Syasse (heute noch dreimal) ist
dem Schwiegervater Syasse Umbsen von Stollhammer-Ahndeich entlehnt. Die
Hochzeit mit der Jungfer Grete Umbsen am 26.6.1755 war ein Ereignis gewesen.
150 Stollhammer und 100 Auswärtige, bis nach Sür-würden
hinunter, alles was Namen und Vermögen hatte, waren eingeladen. Die
Liste der Hochzeitsgäste, welche noch erhalten ist, führte mich
zu der Feststellung, daß nur 4 Namen von 150 in Stollhamm erhalten
geblieben sind, aber nicht in den gleichen dort ge-nannten Bauernschaften.
Bei den Auswärtigen ist es so, daß noch bei 10 der genannten
100 der Name im Butjadinger Lande besteht, mitunter im gleichen Ort, selten
jedoch auf der alten Hofstelle. Es sind die Namen Lübben, Tantzen,
Francksen, Töllner, Martens, Mengers, Willms, Becker, Hesemeyer und
Cornelius. Welch ein Wech-sel also im Besitz des Landes.
In keiner deutschen Landschaft war so häufiges Kommen und Gehen
der Geschlechter als in den Nordseemarschen. Sturmfluten, viehseuchen,
Alkoholismus und unter den Krankheiten das sumpffieber taten das ihre.
Es fand laufend ein Zuzug von der hohen Geest statt und für kleine
Leute war nirgends die Chance des sozialen Aufstiegs größer
als in dieser Marsch. Ewiger Besitzwechsel und gesellschaftliches Auf und
Nieder.
Durch und durch Bauern
Darum ist der Bestand der Familie Janßen eine Seltenheit und
deshalb von einiger Bedeutung. Etwas ungemein Beharrliches lag ihnen im
Blut. Es gab keine Auswanderer und keine Abwanderung in andere Berufe.
Nie ist ein Pastor, Doktor oder Advokat aus ihnen hervorgegangen. Sie waren
durch und durch Bauern. Von Generation zu Ge-neration mehrte sich der Besitz,
während andere ihn verloren. Es wurden auch nur nachbarliche oder
fast nachbarliche Hofstellen gekauft. Wenn die Zeiten so schlecht waren,
daß niemand Geld hatte, so war gewiß, daß die Janßens
aus Gründen ihrer Sparsamkeit doch einiges Geld besaßen. Weitblick
und Mut veranlaßten sie zu kaufen und sie übernahmen die Schuldenlast,
die beim Hinüberwechseln in bessere Jahre unschwer abzutragen war.
Sie waren wie kleine Bankiers. Wenn am 1. Mai pünktlich die Pächter
und Hypothekenschuldner zu Meine Janßen (1796 bis 1871), einem Enkel
des Erstgenannten und Sohn des Syasse, kamen, war die große Diele
aufs säuberlichste gefegt. Die beiden Wagenleitern waren dort zurechtgelegt
und das Geld in Reichsthalern abgezählt, lange Reihen rei-nen Goldes.
Kampf ums Dasein und die Art
So herrschte ein gewisser Kult um das Geld, welches damals gutes Gold
war. Sein Wert und Bestand war bei Janßens selbst das, was wir ihre
Beharrlichkeit nannten. Mit der selben Liebe und Akku-ratesse, mit der
sie die Goldthaler vor ihren Augen ausbreiteten, hegten und pflegten sie
ihre Häuser und Ländereien. Der Kampf ums Dasein und Erhalten
der Arten, im Falle der Menschen das Familiengeschlecht, ging über
Geld und Besitz. Strenge Formen der Erziehung greifen Platz, wo dieser
Instinkt noch lebensmächtig. Es ist überliefert, daß die
Kinder zu Tisch stehen mußten, dann, als sie von Haus gingen über
ihr Taschengeld genauestens Rechenschaft ablegen und schließlich
als Pächter ihres Vaters pünktlich das Geld bringen mußten,
selbst wenn sie von ungefähr wußten, daß der Alte nicht
an dem Termin zu Hause anzutreffen war. Sie mußten dort ge-wesen
sein.
Mit dem allmählich wachsenden Grundbesitz und der Sparsamkeit
wuchs also das Vermögen und es konnten gelegentlich mit Bargeld wiederum
Ankäufe und vor allem Neubauten vorgenommen werden. Der Familiensinn
war so weit gediehen, daß ein Bremer Steinhauer Beh-rens den Auftrag
erhielt, für die Osterhauser Linie einen Begräb-niskeller zu
bauen. Das Prachtstück von Familiengruft kostete 1000 Reichsthaler,
das sind nach verglichenem Getreidewert heute 10.000,-- DM.
Häuser mit blauem Schiefer
Dann kam Osterhausen dran. Zwei Jahre baute man, 65 m lang und die
Seitenmauer unter der Dachrinne in dreifacher Höhe über Normalbauart
hochgezogen, Diele schon in Beton, das Wohnhaus mit Saal und großen
hohen Räumen, das gesamte Dach in englischem Schiefer. Die Kosten
betrugen einschließlich Nebengebäude 18.000 Reichstaler, das
wären nach heutigen Verhältnissen 180.000,-- D---Mark.
Alle Janßenschen Bauten im Verlaufe der folgenden Zeit zeichnen
sich durch blaues Schieferdach auf dem Wohnhaus aus; auch das Kaufhaus
in Iffens und das Heddensche Privathaus in Stollhamm und Pumpe, früher
alles Janßens. Hohe Zimmer, sehr viel Kellerraum, daran wurde also
nicht gespart. Man distanzierte sich gewis-sermaßen mit großem
Eifer von aller Enge, der offenkundigen Erdgebundenheit niedriger reithgedeckter
Häuser, in denen man mit dem Vieh unter einem Dache lebte, und strebte
dem Stil der Schloß- und Stadtbauten zu.
Das Drum und Dran zu Osterhausen mehrte sich besonders, als Theo-dor
Janßen die Wirtschaft übernahm, es entstand ein Tennisplatz
und ein Bootsanleger aus Pitchpineholz und kunstvollen Eisenstake-ten -
Theodor Janßen baute insbesondere einen separaten Pferdestall mit
einer Reitbahn.
Führend in der Pferdezucht
In der Pferdezucht war er führend und holte 1902 von Frankreich
persönlich den Normannenhengst "Verrier" (Glasmacher) herein.
Während Emil Janßen ums Reisen nichts gab und stets den
Stollhammer Kirchturm sehen mußte, besuchte sein Bruder Theodor die
Weltausstellung von St. Louis in Amerika, er erwarb das Gut Neu-Lethe,
welches er während des Krieges bewirtschaftete.
Iffens und Stollhamm mit dem Zeppelin besucht
Zu jener Zeit besuchte er Iffens und Stollhamm mit dem Zeppelin. Die
von ihm abgeworfenen Zeppelinpost, ein Brief in einer Öltüte
mit Sand und langem schwarz-weiß-roten Band, ist noch erhalten. Theodor
Janßen privatisierte dann wieder in seiner großen Villa "Haus
Osterhausen" in Stollhamm, schließlich noch ein paar Jahre in Oldenburg
am Cäcilienplatz und jetzt hochbetagt mit seiner treuen Gattin bei
ihren Kindern auf dem Janßenschen Hof in Ahndeich.
Oldenburger Sänger als Gäste
Einmal also war der Oldenburger Gesangsverein "Liederkranz" eingeladen.
Alle Verwandten und guten Bekannten von Th. Janßen stell-ten Gespanne
und so wurden die Sänger mit 20 Wagen von Nordenham abgeholt. Die
Butjadinger Bahn gab es noch nicht. Ein großes Essen fand auf der
Diele statt. Ganz Iffens hatte am Tage zuvor Granat gepult. Es gab Granat
in Gelee. Am Nachmittag fand in Stollhamm in Harms Hotel ein großes
Sängerfest statt, der Erlös ging an das Nordenhamer Krankenhaus
für den Freibettenfonds.
Das Foto zeigt die jungen Mädchen des Kaffekränzchens in Iffens um 1900. Drei (von fünf) Hemkentöchter sind dabei, oben rechts meine Grossmutter Frida Hemken |
Und das größte Ereignis
Alle Iffenser Ereignisse wurden überschattet von dem Besuch des
Großherzogs Friedrich August von Oldenburg auf Osterhausen. Sämtliche
Iffenser nahmen irgendwie daran teil, und mancher hatte sein besonderes
kleines Erlebnis, wie ich mir erzählen ließ. Schwester Minna,
damals ein Iffenser Schulkind, stand Spalier mit an der Straße und
überreichte dem Großherzog in seinem Landauer ein Bukett Kuhhacken
(Kapuzinerkresse). "Sind das aber schöne Blumen", habe der gütige
Landesvater gesagt. Eine Tochter Th. Janßens erzählt, wie sie
mit ihrer Schwester vorher bei Herrn Runge, der bei Hofe verkehrte, den
Hofknicks gelernt hätten. Meine Mutter, welche vom Nachbarhof war,
hatte Sorge zu tragen für das Warmmachen der Speisen. Die gebratenen
Hühnchen waren alle mit weißen Manschetten an den Beinen versehen.
Das ganze Essen war an sich fertig vom Hotel de Russie herbestellt. Fräulein
Emily Siemsen, jetzt Frau Harms, Pumpe, als schönstes junges Mädchen
mußte servieren und war nicht wenig aufgeregt.
Von dem großen Einfahrttor bis zu den Wohnräumen waren Läufer
gelegt in 50 m Länge. Nach der förmlich-feierlichen Begrüßung
führte seine königliche Hoheit die Dame des Hauses, Frau Johanne
Janßen, zu seiner Rechten und ging selbst neben dem Läufer einher.
Eine Begrüßung, die nicht vorgesehen war
Frau Janßen erinnert sich eines kleinen Zwischenfalls: man hatte
einen Hund, eine Art Terrier oder Pinscher mit Familienanschluß,
der war aufdringlich und doppelt anhänglich und pflegte Besuchern
gleich auf den Schoß zu springen. Selbstverständlich hatte man
früh genug Vorkehrungen getroffen, daß der Köter (man entschuldige
diese etwas lieblose Bezeichnung) eingesperrt gehalten wurde. In der allgemeien
Aufregung war nun aber doch irgednwie nicht acht genug gegeben worden;
der Hund war frei gekommen, sauste schnurstracks zur Tür herein, überschlug
sich fast auf dem Türvorleger, welcher auf dem frisch gebohnerten
Boden verrutschte und - oh Schreck! - das kleine Biest sprang dem Großherzog
kurzweg auf den Schoß. Frau Johanne Janßen war höchst
entsetzt: "Seine königliche Hoheit möge entschuldigen", sagte
sie, "aber ich habe extra Anweisung gegeben, den Hund eingeschlossen zu
halten." "S'ist doch ein loyaler Hund" erwiderte der Landesvater begütigend.
Es wurde ruhiger in Iffens
Vor dem ersten Weltkrieg schon wurde es in Iffens langsam ruhiger.
Seitdem einige Besitzer ihren Hof verpachteten und fortzogen, wechselte
die Rolle, die Iffens mit seinem Stammtisch gespielt hatte, allmählich
nach Stollhamm über. Darüber wäre auch nicht wenig zu berichten.
Die Grundbesitzer von Iffens hatten nicht den genügenden Nachwuchs.
Auf fünf Höfen waren z.B. 13 Töchter und keine Söhne,
ein Besitzer war Junggeselle, die Ehe eines Besitzers war kinderlos, ein
Besitzer verzog zwecks Ausbildung seiner Söhne nach Oldenburg und
einige Söhne fielen.
Die Töchter heirateten alle nach auswärts und trugen die
Geschichte von Iffens glanzvoller Vergangenheit mit sich hinaus, ebenso
mancher junge Bauernsohn, sodaß Iffens auswärts noch so be-kannt
und berühmt ist wie keine andere Bauernschaft der Wesermarsch.
"Aber es geht nicht unter ..."
Der jetzige Bürgermeister von Stollhamm und der jetzige Bürgermeister
von Burhave sind beide aus Iffens gebürtig, wie auch der Landesökonomierat
Ammermann. Dessen Sohn ist vor einem Jahr wieder in Iffens angefangen.
Ebenso ist jetzt nach 20 Jahren ein junger Janßen - blutsmäßig
eine Wiedervereinigung der beiden Janßenlinien nach fünf Generationen
- wieder als Bauer in Iffens. Selbst bin ich als Enkel der 3. Janßen-Linie
ebenso wieder in Iffens ansässig geworden und andere mögen folgen.
Wir wollen das Kapitel Iffens hiermit beschließen und dabei zwei
Sätze an den Schluß stellen, deren Gültigkeit sich stets
bewahrheiten möge:
"Alt-Iffens kehrt in seinen Enkeln heim." "Unser Iffens geht nicht unter, geht auch alles drauf und drunter, wie auch sei der Welten Lauf - unser Iffens obenauf!"
Woher kommen die Hemken?
Um die Zeit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung bzw.
der französischen Revolution, also vor ca. 200 Jahren, lebten Kaufleute
namens Hemken in Bockhorn und in Zetel. Die Bockhorner Hemken waren sehr
wohl-habend und von dort stammen bekannte und beinahe berühmte Hemken,
bsdpw. Maler, Dichter, Juristen aber hauptsächlich Kaufleute. Von
den Zeteler Hemken übernahm einer 1780 eine Hofstelle in Driefel.
Eilert Hemken hatte mit Wiemke Margarete Martens 12 Kinder, von denen 4
Mädchen nach Butjadingen heirateten (3 Verheiratete Janßen,
eine Sagemüller).; 3 Jungen gingen nach Butjadingen auf Pacht. Renke
Hemken war der Erste, der Eigentümer auf dem Hof Altendeich bei Abbehausen
wurde. Er hatte mit Almuth Margarete Backhaus (ebenfalls aus Driefel gebürtig)
8 Kinder; unter diesen war Johann Eduard, der 1872 Fanny Janßen heiratete.
Fanny geb. 1852 war seit 1855 Vollwaise und Eigentümerin des Hofes
von Peter Meinhard Janßen, ihrem Vater. 20 Jahre lang war der Hof
verpachtet gewesen, denn Fanny war sehr schlicht bei einem Onkel Wreden
in der Stollhammer Wisch untergebracht und es hatte sich mithin eine gehörige
Summe Geldes angesammelt. Die Eheleute Johann Eduard und Fanny konnten
also den Neubau erstellen und als Fanny nach 16 Jahren Witwe wurde, ging
das Land wieder in Pacht. Trotz Badereisen, Privathaus in Stollhamm und
der Ausstattung von 4 Töchtern ist Fanny immer eine reiche Frau geblieben,
die sich bis zuletzt zwei Pferde und eine Kutsche leisten konnte; außerdem
hatte sie eine unverheiratete Tochter und ein Dienstmädchen im Haus.
Um recht viel von der Geschichte dieses Hauses und der Familie zu erfahren,
fragen wir an dieser Stelle einmal danach, was das Haus zu erzählen
hat.
An den Neubau erinnerte sich 1938 noch der alte Friedrich Hinrichs
vom Beckmannsfeld, der allmorgentlich seine Milchkessel zur Straße
karrte und gegen Mittag wieder abholte und immer zu einem Klönschnack
aufgelegt war. Die Steine habe man unterm Deich von Eckwarder Spieker herangefahren.
Es waren Klinker aus Steinhausen, während die Schieferplatten, die
das Wohnhaus deckten, englische Schiefer waren und von England über
Großensiel an der Weser kamen. Das Gebäude war wohl kleiner
als das von Osterhausen, aber größer als das von den anderen
Höfen. Mit 41 ha, 12 ha Grodenland und 13 ha gepachteten Hayenschloot-Leegden
hatte es einen ganz normalen Zuschnitt. Man brauchte viel Bergungsraum
für die Heu- und Getreideernte und für die Familie mit 7 Kindern
sowie das 4- bis 5-köpfige Gesinde auf dem Hof mußte ausreichend
Wohnraum zur Verfügung stehen. Großvater Eduard Hemken war zudem
an der Beweidung der Oberahnischen Felder beteiligt und mußte darum
auch auf Viehhandel gehen. Seinen unbeschreiblich dicken Wagenmantel habe
ich noch besessen. Es heißt, daß dem Eduard Hemken nichts zuviel
werden konnte und vielleicht führte diese Eigenschaft auch zu seinem
frühen Tod. Er soll sich bei der Heuernte übernommen haben, eine
Erkältung bekommen haben und ist dann an Lungenentzündung gestorben.
Die nach seinem Tod durchgeführte Auktion brachte 101 Teile Rindvieh
zum Verkauf, 10 Pfernde, Nachweide von 4 ha in Iffens und 13 ha in Roddens
sowie 2 Weiden in Abbehauser Altendeich. Die Auktionsanzeige, in der noch
vieles Andere zur Ver-steigerung angeboten wurde (incl. 5 Seiten Speck),
befin-det sich noch - stark vergilbt - in meinem Hausarchiv. Überliefert
ist noch, daß der Auktionserlös zu niedrig war, weil es ein
ungewöhnlich nasser Sommer gewesen war und das Vieh in unbeschreiblichem
Dreck auf dem Hofplatz draußen aufgereiht war.
Doch zurück zum Haus, als es noch voll bewirtschaftet war und wir
fragen uns, wo denn die 10 bis 15 Personen alle geschlafen haben, die hier
wohnten. Denn allein 5 große Räume konnten keinen Schlafplatz
haben, als da waren: die gute Stube, die beste Stube, die Eßstube,
die Küche und die Volksstube, in der sich das Gesinde zu den Mahlzeiten
und am Feierabend versammelte. Nun, die Knechte hatten ihre Schlafkammer
- wenn man das mal so nennen will - im Stall, in einem fensterlosen, dunklen
Loch.
Im Wohnhaus konnten in dem riesigen Flur eine Menge Schränke aufgestellt
werden, so daß man in den wenigen Schlafräumen viel mehr Platz
für Schlafstellen hatte. Meistens schliefen 2 in einem Bett und so
war denn auch noch genug Platz für ein extra Fremdenzimmer für
Besuche. (Die Wege konnten abends für einen Heimweg unpassierbar sein.)
Es war alles geradezu herrschaftlich, wenn man die Verhältnisse
mit denen der Köterhäuser vergleicht. Diese hatten neben dem
Raum für Kleinvieh zur zwei Zimmer, die von zwei Familien bewohnt
wurden. Die Jungens schliefen beim Vater, die Mädchen bei der Mutter
und dann war da bloß ein Lehmfußboden; so habe ich das noch
kennengelernt, aber ich habe mich in keiner Weise davon abgestoßen
gefühlt.
Eine Entlastung für die großen Wohnhäuser bestand auch
darin, daß es hier in der Marsch kein Altenteil gab. Die Alten lebten
in einem Privathaus im Dorf oder sie hatten sich in der Nähe des Hofes
eines gebaut. In etlichen Fällen besaßen die Hofbesitzer in
der Residenzstadt ein Haus und zogen bei Abgabe des Hofes an den Sohn oder
einen Pächter nach Oldenburg, in einem Fall sogar nach Bremen. Einer
wollte sogar nach Bonn-Pop-pelsdorf. Einige, die mehrere Höfe besaßen,
oft nur einen Erben hatten oder kinderlos waren, fühlten sich so wohlhabend,
daß sie ein Auge auf das reichsdeutsche "Pensionopolis" warfen.
Witwe Fanny Hemken blieb mit ihren 5 Töchtern erst einmal auf
dem Hof und lernte sie in der Landwirtschaft an. Sie kamen dann für
1 bis 2 Jahre weiter weg in eine vornehme Pension bei Herrschaften, zumeist
Pastoren im Rang wie ein Konsistorialrat. Dann kam die Zeit, daß
alle 2 Jahre auf dem Hof Verlobung war, und alle gingen sie auf andere
Höfe, außer Berta, die lungenkrank war. Sie ging dann mit ihrer
Mutter, um in einem Privathaus in Stollhamm zu wohnen. Sie hielten sich
bis zum Ausbruch des Krieges 1914 dort noch einen Hausknecht bzw. Kutscher
für die Kutsche mit zwei Pferden. Selbstverständlich war auch
ein Dienstmädchen da.
Der erste Pächter auf dem Hof war Hinrich Bruns und so ist der
spätere Landwirtschaftsdirektor Heinrich Bruns dort geboren. Der zweite
Pächter war Timmermann, nachdem der Hof durch Real-Erbteilung verkleinert
worden war (1917). Die Timmermanns hatten eine Tochter, die Meinardus in
Norderschwei heiratete und wieder war Auktion auf dem Hof.
hier die Fotots von Ernst Meiners und Frida Meiners geb. Hemken Das sind die Eltern von Hans Meiners und die Grosseltern von Wolfgang Meiners etwa 1940 aufgenommen. |
Ernst Meiners, der durch Los das Hofgebäude bekommen hatte,
nahm keinen Pächter, sondern siedelte dort einen Landarbeiter an,
weil in voraussehbarer Zeit Eduard dort zu wirtschaften anfangen würde.
Das geschah dann schon 1928, als Eduard gerade erst 21 Jahre alt geworden
war. Vater Ernst tätigte dazu einen Zukauf von 7,5 ha Grodenland in
ziemlicher Nähe. Lediglich 9,14 ha waren ja nur beim Hof verblieben;
Eduard seinerseits kaufte nochmal 10 ha im Groden dazu und pachtete rund
herum noch 30 bis 40 ha. Als die nationalsozialistische Siedlungspolitik
im Osten zum Angebot von beachtlichen Restgütern führte, spekulierte
Eduard auf die Übernahme eines solchen in Mecklenburg.
Mit dem Angebot der väterlichen Stelle in Ahndeich und der danebenliegenden
Onkenstelle von insgesamt 75 ha verließ Eduard Iffens wieder und
Hans übernahm das kleinere Iffens; d.h. Vater Ernst fand gleich danach
die Gelegenheit, den Mengerschen Erbanteil von 8 ha zurückzukaufen,
so daß der Hof wieder auf 24,5 ha angewachsen war.
Die Real-Erbteilungen hatten für einen Hof schwere Folgen,
wie das Beispiel des Fördelmann Hofes in Iffens zeigt, der mit seinen
70 ha unter drei Töchtern aufgeteilt wurde.
Was weiß man über die Geschichte dieses Stückchens
Erde, auf dem wir wohnen? Eine Fülle von Aussagen können da gemacht
werden. Es vermengen sich Angaben zur Geschichte dieses Hauses, zur Geschichte
dieser Landstelle und zur Geschichte der Besitzer. Auch das "Wie" erinnert
wird, läßt sich aufgliedern nach den verschiedenen Quellen,
als da sind:
1. Erinnerungen, die wir haben, oder Erzählungen, die wir hörten;
2. Niederschriften im Zuge einzelner Nachforschungen oder ältere
Niederschriften;
3. Chroniken, Kirchenbücher und Karten oder das Brandkassenregister
(seit 1793);
4. Haus- und Ofensteine und Grabplatten.
Für diesen Hof wurde Folgendes gefunden:
ein Hausstein an der Giebelmauer trägt den Namen des Erbauers
Eduard Hemken und seiner Frau Fanny Hemken, geb. Janßen;
ein Ofenstein, der beim Bau einer Klärgrube gefunden wurde, trägt
die Jahreszahl 1673 mit den Buchstaben "G.V.", welches Günter Umbsen
heißt;
die Grabplatte, die vom Friedhof anläßlich der Auflösung
der sonst immer zum Hof gehörigen Begräbnisstätte hier im
Garten abgelegt wurde, führt als den frühesten Namen Reiner Cornelius
mit der Jahreszahl 1637; das älteste Dokument über einen Bewohner
an diesem Platze findet sich in den Deichbaulisten, wo es zum Bau-abschnitt
Anno 1555 heißt "bei Hajo Syabben Haus".
Damit wäre die bis heute bekannte Reihe der Bewohner dieses Platzes
erstellt:
Syabben - Cornelius - Umbsen - Janßen - Hemken - Meiners.
Andere Texte zur FRIESISCHEN REGION :
Beschreibung einer Ausstellung zur Küstenentwicklung
und zur friesischen Kultur aus Sicht der Ökologie.
Lustiger und lehrreicher Fragenkatalog zur Ausstellung
über den "Mythos vom nassen Tod".