Trotzdem haben wir eine brauchbare Vorstellung davon, so wie wir auch in der Lage sind, die „Zielgruppe“ das Konzeptes zu beschreiben.
An anderer Stelle haben wir versucht, geeignete Kriterien aufzulisten, um die Zielgruppe, das Tätigkeitsprofil und das Ausbildungskonzept des Ökoführerschein zu beschreiben.
Im Folgenden nutze ich eine andere Methode, die paralelle Geschichte.
Ich suche einen ähnlichen Tätigkeitsbereich, mit ähnlichen Ausbildungen. Aber so unterscheidbar, daß Prinzipien, Ziele, Gewohnheiten oder auch Trugschlüsse deutlich werden.
Nun wird es zunächst Allgemein:
Als Tätigkeit suche ich eine definierte Situation aus und beschreibe in sieben Varianten, wie ich für diese Tätigkeit qualifiziert sein kann. Die achteVariante kennzeichnet eine Stimmung während der Tätigkeit und die Neunte eine Fortbildung. Einige Varianten charakterisieren reale Qualifikationsdefizite in der Öffentlichkeitsarbeit im Umwelt- und Naturschutz - und machen hoffentlich deutlich, welche Bedeutung der Ökoführerschein zur Aus- und Fortbildung hat.
Und nun wird es Speziell,
Annonce aus der Tageszeitung:
Ein renommiertes Kaufhausunternehmen sucht für sein bestes Haus am Platz eine versierte Fachkraft.
Sie soll die Informationstheke am Eingang besetzen und die KundInnen über das Warenangebot beraten, sie in den Etagen des Kaufhauses an die richtige Stelle schicken. Dazu sind sehr gute Kenntnisse über das Warenangebot und die Organisation des Kaufhauses nötig.
Für die Abwicklung von Reklamationen muß diplomatisches Geschick vorhanden sein. Bei Notfällen wird schnelles und umsichtiges Handeln erwartet.
Ein allgemeines überzeugendes Bekenntnis zum ökonomischen System wird vorausgesetzt und vorbildliches Verhalten in der Konsumwirtschaft wird erwartet.
Und dies sind neun unterschiedliche BewerberInnen, die beschreiben, warum sie für diesen speziellen Job besonders qualifiziert sind.
Aber nicht alles gefiel der Geschäftsleitung gut, als eine Buchabteilung umgeräumt werden sollte haben wir eine spontane Blockadeaktion gemacht. Das kam bei den Kunden ganz gut an. Die Presse hat sogar darüber berichtet und beinahe wäre auch das Fernsehen gekommen.
Letztes Jahr bin ich dann in das Organisationsteam der Etagenkongresse gewählt worden. Ich komme eigendlich ganz gut an, das ist meine besondere Ausstrahlung. Deswegen bin ich für die Stelle so gut geeignet.
Jetzt kenne ich mich mit den fünf wichtigsten Bereichen des Warenangebotes sehr gut aus, ich könnte spontan die AbteilungsleiterInnen vertreten. Mit der Information darüber werde ich an der Kaufhausinfotheke voll ausgelastet sein. Für die anderen unwichtigen Bereiche des Kaufhauses möchte ich die Geschäftsleitung bitten, eine zusätzliche ABM-stelle für die Informationstheke zu beantragen.
An zwei Abenden pro Woche haben wir in einer Arbeitsgemeinschaft die Inventur im Kaufhaus betreut, wir waren immer da, wo Not an Hilfskräften war.
Seitdem ich ein Freiwilliges Ökonomisches Jahr in der Informationsstelle des Kaufhauses gemacht habe, lese ich auch regelmäßig die vier wichtigsten Kundenzeitschriften. Meine Sommerferien habe ich in dem größten Kaufhaus der Welt in London verbracht. Neben meiner Ausbildung als Dekorateur habe ich im Kaufhaus ein Praktikum in der Beschwerde- und Problemabteilung gemacht. In der Volkshochschule belegte ich an drei Abenden pro Woche einen Gesprächs- und Diplomatiekurs. Ich habe mit der jetzigen Angestellten, die diesen Job hat, schon gesprochen und sie ist bereit, mich einzuarbeiten.
Nach eine kurzen Zeit werde ich die Stelle dann alleine besetzen können.
Jetzt bin ich promoviert, und wenn die Kunden mich mit Herr Dr. anreden müssen bringt das schon mal den nötigen Respekt in das Beratungsgespräch.
Deswegen bin ich so sehr geeignet für diesen Job, und bewerbe mich dafür.
Im Sommer will ich ganz unökomomischen Urlaub auf einem kleinen Bauernhof machen, dort kennen die Leute noch nicht einmal den wahren Wert des Geldes, die tauschen die Waren einfach.
Irgendwie fühle ich mich in diesem Job nicht mehr so ganz wohl, mein Arzt sagte vor drei Jahren schon, ich solle die Stelle wechseln.
Letztes Jahr habe ich ein kleines Magengeschwür überstanden und gehe demnächst zur Kur. Aber man hat ja schließlich seine Aufgabe in dieser Gesellschaft, und vor der Pensionierung will ich noch,mal einen neuen Anfang machen und die Stelle wechseln.
Aber ich mache fleißig Fortbildungen:
Am Wochende war ich auf einem Kongreß der KundenberaterInnen.
Dort habe ich gelernt, daß mein Job problematisch sein muß, weil man sonst ja keine Kongresse über die Probleme abhalten kann. Deswegen haben die Referenten auch nur sehr abstrakte und allgemeine Vorträge gehalten. Es waren auch nur solche ReferentInnen und ArbeitsgruppenleiterInnen eingeladen, die selbst Info-beraterInnen sind. Andere Personen aus dem Kaufhaus kennen unsere Probleme nicht so und hätten uns deswegen auch nichts zu sagen.
In meiner Arbeitsgruppe musste jeder ein kleines Infostandmodell aus Knetwachs bauen. Dann haben wir die 23 Knetstände in eine Reihe gestellt und jedeR durfte dann erzählen, wie er/sie sich dabei gefühlt hat.
Am Abend hat KarlWilhelm dann mitgebrachte Milch, direkt vom Bauernhof verteilt und wir haben das alle getrunken. Am Morgen hatten einige noch moralischen Bedenken, weil wir damit ja keinen Laden und keinen Warenhandel gefördert haben.
Überhaupt war die gesamte Gestaltung der Tagung so, daß man uns unser Kaushausbewußtsein nicht anmerken konnte. Keine Wegwerfartikel, keine Preise und Abrechnungen, keine überflüssigen Dinge, keine Hintergrundmusik, kein Kaufhausgeruch, keine Resopaltische oder Designermöbel, wir haben uns vom Berufsalltag so richtig erholt.
Trotzdem war, wie immer, ein Wermuthstropfen dabei:
Wir hatten Einzelzimmer und keine Namensschilder, um zu verhindern, daß wir TeilnehmerInnen des Kongresses uns untereinander kennen lernen. Zu viele private Kontakte würden die Organisationsfunktionäre stören und sie könnten die Machtstellung verlieren. Wir sollen Unmut schließlich nicht durch interne Gespräche formulieren, sondern ihn in uns hineinfressen, wie wir das in unserem einsamen Infostand sonst auch tun.
Insgesamt war der Kongress sehr schön, ich habe alles bezahlt bekommen. Zuhause habe ich in dieser Zeit kein Geld ausgegeben und kann jetzt eine großzügige Spende an ein bedürftiges Kaufhaus in einer Kleinstadt machen.
Sonst lese ich viel über Waren und Kaufhäuser und gelte in meiner KonfirmandInnegruppe als Experte für Ökomonie. Jetzt habe ich den Ökoführerschein (Ökonomie-führerschein !)gemacht. In fünf Kursterminen habe ich einen Überblick über das gesamte Warenangebot eines Kaufhauses bekommen. Das sind Tatsächlich alle 6000 Produkte, die angeboten werden, manche Produktgruppen wurden intensiver vorgestellt, andere nur am Rande erwähnt. Immerhin kann ich mich im Warenangebot jetzt gut orientieren.
Bei jedem Kurstermin stand ein besonderer Aspekt der Öffentlichkeitsarbeit im Vordergrund: Werbung, Produktbeschreibung, Reklamation, Umtausch, Herstellerinformationen, Garantieerklärungen etc sind schließlich bei jedem Produkt möglich und nötig.
Und jeder Termin war in einem anderen Kaufhaus angeboten. Das Kaufhauspersonal, das uns unterrichtet hat, konnte uns die eigenen regionalen Erfahrungen mitteilen. Jeder macht in seinem Kaufhaus für das gleiche Produkt eine andere Öffentlichkeitsarbeit. So wird die Werbung für Kleiderhaken in jedem Kaufhaus verschieden sein. Daduch lernten wir Vielfalt und Kreativität.
In den 21 Kurstagen lernte ich 200 Möglichkeiten und Ideen kennen, deswegen habe ich zumindest eine gute Vorstellung von dem Job als Kundenberater.
Ausserdem werde ich mich zur Fortbildung in spezielleren und vertiefenden Kursen zu einzelnen Produkten oder Verkaufsmethoden anmelden.
Der Ökoführerscheinkurs hat auch was für mich privat gebracht, ich kaufe selbst natürlich viel bewusster ein und habe mehr Spaß am Warenhaus.
Jetzt bewerbe ich mich auf die Infothresenstelle und lege den Ökonomieschein als Hinweis auf meine Qualifikation bei.
15.11.1994
Wolfgang Meiners