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Viele Kommunen versuchen die Heimat ihrer BürgerInnen zu pflegen.
Dazu gibt es eine Erläuterung von Dr. Dagmar Kleineke, Kreisheimatpflegerin in Göttingen:
https://www.loedingsen.de/ortsheimatpflege/ueber/leitlinien-heimatpfl-lkgoe.pdf

In der Wesermarsch geht es aktuell um folgendes:
In jedem Jahr gibt es einen Landeswettbewerb , früher unter dem Titel "Unser Dorf soll schöner werden". Heute heisst das "Unser Dorf hat Zukunft"
Dorfgemeinschaften räumen auf und schaffen oft besonders wirksame und plakative Elemente mit denen sie sich herausputzen. Das ist aus meiner Sich zwar sehr lobenswert, aber mir fehlt dabei die kleinere, unscheinbare und eher filigrane Komponente der Stimmung im Dorf, die ein schwer beschreibbares Gefühl braucht.
Dazu habe ich einige Gedanken aufgeschrieben:

Über das Heimatgefühl und die Mittel dazu

Wolfgang Meiners Iffens, Januar 2020
Betr.: Landeswettbewerb: "Unser Dorf hat Zukunft"
Bewertungsbereich "Soziales und Kultur", Unterpunkt "Dorftradition".
Hinter diesem Bereich verbirgt sich eine Situation, die oft mit "Heimatgefühl" umschrieben wird. Zuerst also einige Gedanken zur Klärung des recht emotionalen Begriffes "Heimat".

Was bedeutet mir Heimat?

"Heimat" ist eines meiner besonderen Anliegen, und ich versuche dazu abseits der alten heroisch verklärten Heimat eine moderne Position zu finden, die ich als Mitglied des Rüstringer Heimatbundes und des Friesenrates vertrete.
Die Gestaltung der Lebens- und Umwelträume, also auch der Dörfer, ist dazu sehr bedeutend. Im Rahmen des Wettbewerbs stellt sich mir die Frage: Welche "Heimatgefühle" sind mir wichtig, und wie kann man solche Gefühle fördern?

Nun ist "Heimat" ein mehr emotionaler Begriff in unserer Lebenswelt, und er ist mit Kriterien und Bewertungen schlecht zu fassen. Das erinnert mich sehr an die Schule, in der emotionale Elemente nicht benotbar sind. Unsere Vorlieben, Phantasie, Geschmack, Kreativität, Gefühle sind tatsächlich sehr diffus. Zeugnisse haben Probleme mit den emotionalen Kompetenzen ("Soft Skills" = Kommunikationsfähigkeit. …Charisma. ... Belastbarkeit. ... Empathie. ... Flexibilität. ... Interkulturelle Kompetenz. Anpassungsfähigkeit. ...Präsentationsstärke.)

Eine andere Welt der Gefühle und Emotionen ist die Religiosität. Die Botschaft der Bibel ist im Prinzip einfach: das Gebot der Nächstenliebe. Es erfordert aber ein dickes Buch mit Gleichnissen und Erklärungen, um den emotionalen Begriff zu vermitteln.

Neben dem Heimatbegriff gibt es noch die alte (?) Formulierung der "Nachbarschaften". Im Friesischen sind zu deren Regulierung "Burenbriefe" erhalten. Dort wird das Solidargefühl vorausgesetzt, und Abweichungen werden geregelt.

Die Tradition und Struktur des Wettbewerbes (Unser Dorf hat Zukunft) ist bisher nicht dazu ausgelegt irrationale Kriterien zu fördern. Trotzdem möchte ich den Blick auf diesen Aspekt lenken, der die Zukunft unseres Lebensraumes entscheidend beeinflussen kann.

Aber nicht jede Stimmung ist positiv im Sinne eines erwünschten Heimatgefühls. Also:

Welche Emotionen fördern das Heimatgefühl?

Es geht um Stimmungen zur Stabilisierung der Dorftradition..
So vielfältig wie Stimmungen sein können, so vielfältig ist auch der deutsche Wortschatz zu deren Beschreibung. Eine Auswahl, die bei der Erklärung helfen kann:
Wir sagen: die Atmosphäre (=Stimmung) sei
gemütlich, behaglich, ungezwungen
ruhig, besinnlich, beschaulich
unaufdringlich, entspannt, unabsichtlich
einfach gut,
man kann die Seele baumeln lassen.
Ein Schutzgefühl, Vertrautheit, Geborgenheit, Verlässlichkeit, Hilfsbereitschaft
wird empfunden.
Alles geschieht ohne Berechnung und Verpflichtung.
Wir haben Spaß, Zeit miteinander, können zuhören und lachen.

In einigen Analysen heißt es über die für den Tourismus interessanten einheimischen Kontaktpersonen, sie sollen "authentisch" sein - es mag vielleicht dasselbe gemeint sein.

Womit ermöglicht und fördert man Heimatgefühle?

Stimmungen und Gefühle sind von äußeren Welten und Strukturen steuerbar, das beweist uns die Werbung und die Verkaufspsychologie in Verbrauchermärkten.
In der Verkaufswelt sind konkrete Objekte zu erkennen, die auf sanfte Art Emotionen steuern sollen: Licht, Musik, Gerüche, Pflanzen, Bilder, Blickfänger, Logos etc.
Entsprechend sind reale Objekte auch für Lebenswelten möglich, die eine oben genannte Stimmung in der dörflichen Gemeinschaft fördern:

Der Dorfbrunnen
Die Linde vor dem Tor
Sitzbänke, ggf. mit Regenschutz und Windschutz
Alleen
Blühbeete und Blumenwiesen
Bouleplatz, Spielgräte
Feuerplatz, Grillplatz, Rastplatz im Freiland
Der Gartenzaun zum Gespräch darüber hinweg
Die Gartentür zum Offenlassen
Windspiele, Windharfen, Mobile
Sonnenuhr
Vogelhaus (Winter)
Schmetterlingsbaum
Gewässer, Ententeich
Musikmach-ecke (Flöte, Gitarre etc.)
"Fotopunkte"

Dies sind mögliche Rahmenbedingungen, in denen Gefühle und Stimmungen "eine Heimat finden" und sich eine gute solidarische Nachbarschaft stabil entwickelt und erhält.

Erklärung von Stimmungen mit Beschreibungen:

In der Bibel werden in den Geschichten (Gleichnissen) zunächst kritische Situationen beschrieben, die dann im Sinne einer religiösen Stimmung (nicht aggressiv) gelöst werden. Das versuchen auch einige Autoren in Heimatromanen, die aber oft zu leicht als Provinzromantik abgekanzelt werden. (Wenn dann die Taschentücher mit den Tränen weggesteckt sind.)

Die Geschichten über die Dorfgestaltung könnten Gleichnisse sein, in denen zunächst von einer Sitzgruppe aus Edelstahl und indischem Marmor mit Plakette über die Förderung der EU berichtet wird. Solch ein Beispiel führt zu einer Distanz und Entfremdung zu den Bürgern. Für die erfreulichere mitmenschliche Botschaft wird dann die Beschreibung derselben Sitzgruppe aus einfachen regionalen Baustoffen und ortsüblicher Gestaltung sein, die Platz für Gefühle und Stimmungen zulässt.

Nun werden unter "Dorftradition" oft nur die üblichen Dorffeste verstanden. Diese erfordern aber eine intakte Nachbarschaft und tragfähiges Heimatgefühl. Sonst werden die Feste unpersönlich und ggf, von Agenturen veranstaltet. Ich denke an traditionelle lokale Feste und Feiern wie das Osterfeuer oder die Tierschau.

Einige Printmedien bieten Plattformen für die Formulierung von regionalen Gefühlen an, wie zum Beispiel viele Regionalseiten der Tageszeitungen. In diesem Sinne ist auch die Gestaltung des "Ostfriesland Magazin" (SKN-Verlag Norden) gut gelungen.

Unser Beitrag durch viele Beispiele

In der Umweltstation Iffens haben wir sehr viele Ideen umgesetzt und ausprobiert, die eine Alternative zu dem "mainstream"-Design von Tourismus und Wohnwelt (Dorf) bieten können. Als Gegengewicht zu Objekten, Baustilen und Design, die von außen kommen (Kolonialismus), können wir eigene ortstypische Ideen setzen.
Solche Alternativen sind heute dringend gefragt, um die Entwicklung von Umwelt und Lebensräumen zukunftsfähig zu gestalten. Dabei sind keine großen Veränderungen nötig, es sind oft die Kleinigkeiten die Gefühle wecken.

Einige Beispiel aus der Umweltstation:

Vieles davon ist auf dieser homepage zu finden.
Der Urlaubskalender
Die Glücksmuschel
Das Kirchenpuzzle
Die friesischen Pilsmuscheln
Der Spaziergang im Grünen Wohnzimmer der Stadt Nordenham
Die Naturschätze in Wilhelmshaven
Das Buch der Gästesprüche in Stollhamm
Anregungen zum Sanften Tourismus in Butjadingen
Die Nordseeküstendusche
Der Butjadingenglobus
Der Geisterkonvent
Die Salzstangenmaschine
Der Salzstangenanbau in den Salzwiesen
Die friesischen Inseltische
Die Butjadingen-Halbinsel mit Format
Das plattdeutsche Butjadingenkreuzworträtsel
Das Gummistiefelmuseum
Das Stollhamm-Wappen an der Ulmenstrasse

Geschichten und Filme haben wir veröffentlicht, wie zum Beispiel
Die 12 Wattwunder
Warum das Watt Watt heißt
Über den Augustgroden

Also:

Dies ist unser Beitrag zur Ergänzung der Ziele des Punkt 3 (Soziales und Kultur, Unterpunkt Dorftradition) innerhalb der Bewertungsbereiche für den Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft".
Es ist eine Chance zur Förderung einer "Wohlfühl-Zukunft", in der die Flucht aus unserer dörflichen Wohnwelt gebremst werden kann.


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