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    Aufgaben und Möglichkeiten der Umwelterziehung für die privaten Umweltschutzverbände und Bürgerinitiativen

    Autor: Wolfgang Meiners, Umweltstation Iffens

    Dieser Text ist auch
    als PDF-File zu erhalten
    Der Text in der vorliegenden Form ist erschienen im „Schwann Handbuch“: Praxis der Umwelt. und Friedenserziehung, Band 2 / Hrsg. Jörg Calließ und Reinhold E. Lob / 1. Auflage 1987; Schwann-Bagel, Düsseldorf / Seiten 176 -184

    1. Einleitung

    Die Erziehung durch Konsumalltag und Schule hat uns fest im Griff. Es gibt kaum eine Lücke, in die wir uns aus den Umweltverbänden mit pädagogischen Konzepten hineindrängen können. Denn solches sollen wir tun: In den Umweltverbänden ist das private Interesse an Umwelt und Natur organisiert und der Auftrag formuliert, diese Interessen auch im Bildungs- und Ausbildungswesen zu vertreten.

    Solche Verbände sind z.B.:
    
    * Deutscher Bund für Vogelschutz (DBV)
    * Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
    * Deutscher Naturschutzring (DNR)
    * World Wildlife Found (WWF)
    * Deutsche Umwelt-Aktion (DUA)
    * Greenpeace
    * Robin Wood
    * Deutsche Umwelthilfe (DUH)
    

    Mit zusammen etwa 300.000 Migliedern stehen sie bescheiden neben den deutschen Autoverbänden (4,5 Mio Mitglieder), und mit der Zahl der Aktiven (6.000) erreichen sie etwa 1% der Zahl der deutschen Pädagogen. Neben diesen größeren Gruppierungen kämpft eine Vielzahl kleiner Bürgerinitiativen gegen lokale Naturzerstörung oder Umweltgefährdung. Bei diesen wird die Umwelterziehung selbst selten als Thema formuliert. Trotzdem ist die Aufklärung und Bewußtmachung brennender Probleme ein erzieherisches Ziel. In der Erziehung formen sehr viel mächtigere Interessen im Staat unser Denken und Handeln. Was können da die Beiträge der relativ kleinen Umweltverbände und Bürgerinitiativen in der Umwelterziehung bewegen?

    Trotzdem haben wir in ca. 10 Jahren einige pädagogische Nischen gefunden, in denen sich gute Möglichkeiten bieten. Mit unseren schwachen Kräften kamen wir nicht in Versuchung, ernsthaft in dem pädagogischen Walzwerk mitzuziehen, zu pressen, stanzen und zu schleifen. Wir müßten dazu mindestens gleiche Mittel haben, also Medien und Verwaltungswege besser lenken können, um sie umzulenken. Wenn wir z.B. im Stile der großen pädagogischen Verlage eine Unterrichtseinheit mit ökologischem und ganzheitlichem Anspruch gestaltet haben, wird der konventionelle Markt und der Anwender uns diese Idee aus der Hand nehmen und anders verwenden, als wir es uns gedacht haben.

    Deswegen haben wir für unsere Beiträge zur Umwelterziehung andere Schwerpunkte gefunden: Mit der Narrenfreiheit des Machtlosen umgehen wir einige Spielregeln der üblichen Erziehung, finden unkonventionelle Auswege und dürfen im Lern- und Lehrprozeß z.B. mehr Mensch als Funktion sein.

    Daraus ergeben sich Chancen der Umweltverbände und der Bürgerinitiativen, die ich zunächst theoretisch aufzeigen möchte (Teil 2). Aus diesen Rahmenbedingungen ergeben sich konkrete Konzepte für die Praxis. Dies soll eine Übersicht für den Handlungssspielraum der Verbände zeigen (Teil 3). Verschiedene Verbände und Bürgerinitiativen können besonders in der Umwelterziehung gut zusammenarbeiten. Am Beispiel des "Lehrerservice" soll das verdeutlicht werden (Teil 4)

    2. Chancen und Zwänge der Umweltverbände und Bürgerinitiativen in der Umwelterziehung.

    Viele Chancen liegen in der Struktur der Verbände, und daraus entwickeln sich auch inhaltlich Konzepte zur Umwelterziehung. In der Praxis haben die etwa 1.000 lokalen oder thematischen Arbeitsgruppen der Verbände und Bürgerinitiativen jeweils verschiedene Möglichkeiten der Umwelterziehung. Jedoch können wir nur einige allgemeingültige Punkte beschreiben, die einen guten Einblick in die Chancen der Verbände und Bürgerinitiativen vermitteln:

    1. Wir können Erziehungsziele nicht mehr nur in der Schulzeit, sondern 'lebenslang' vertreten und beleben. Diese Chance hat auch z.B. die Bierwerbung, die in dreißig Jahren nachhaltigere Landschaftseindrücke schulf als der Erdkundeunterricht.

    2. Motive und Anlässe für unsere Umwelterziehung sind fast immer konkrete, unmittelbar in der Umgebung greifbare Anlässe. Dadurch sind Argumente und Erfahrungen überzeugender und viel einfacher zu vermitteln.

    3. Wir lösen das Schüler-Lehrer-Ritual auf. Wir können Partner einer gemeinsamen Neugier, Erfahrung und Arbeit sein. Wir verzichten auf hypnotisierende Erziehungsinstrumente wie Schultafel, Sitzordnung, Kontrolltest, Overheadprojektor etc., denn diese formen nicht nur die Disziplin, sondern auch das Denken.

    4. In unserer Bilanz zählt die tatsächliche Wirkung unserer Umwelterziehung auf die Menschen und die Umwelt. Veränderungen erkennen wir direkt, wir müssen unsere Wirkungen nicht verklären, weil wir kein profitables Produkt verkaufen und keine Bildungseinrichtung glorifizieren müssen.

    5. Unsere methodischen Regeln können wir auch ohne vorherige theoretische Perfektionierung umsetzen. Wichtig ist, daß sie in der Praxis funktionieren und daß sie verständlich sind. Aus einem BUND-Papier (Positionspapier des Arbeitskreises Umwelterziehung, 1985) gebe ich solche - eben nicht perfekten - 'Regeln' für die Umwelterziehung wieder:

    Besonders gepflegt werden
                              * die 5 Sinne,
                              * Phantasie und Kreativität,
                              * Erlebnisfähigkeit,
                              * Mut und Gemüt.
    
    Wir lernen und lehren
                              * Kenntnisse,
                              * Wertvorstellungen,
                              * Denk- und Argumentationsweisen,
                              * kritische Problemlösung.
    
    Wir gehen um
                              * mit menschlichem Maß und mensch-
                                licher Ökonomie,
                              * mit den Mechanismen in Gesellschaft
                                und Politik.
    
    Wir bedenken
                              * Ganzheitlichkeit und Vernetzung,
                              * die ethischen Grundlagen des Han-
                                delns und Denkens.
    
    Wir bevorzugen
                              * die Unmittelbarkeit,
                              * die Beobachtung als Grundlage der
                                Veränderung,
                              * die Übereinstimmung von verbalen
                                Absichten und tatsächlichem Han-
                                deln.
    

    6. Ohne Dienstweg und ohne Repressionen können wir schnell Ideen ausprobieren, Projekte umsteuern und Wege geringster Widerstände und bester Effekte suchen. Dadurch ist Spontaneität möglich. Im pädagogischen Prozeß haben Phantasie und Witz wieder einen Platz. Leistungsnachweise und auch ökonomische Verkaufszwänge fallen weg.

    7. Traditionelles Fächerdenken haben wir nicht, wir können ohne Hindernisse interdisziplinär an die Themen in Umwelt und Natur herangehen.

    8. Fachwissen kann in den Aktionsgruppen "non-formal" vermittelt werden (LOB 1985, 599 ff.) Experten aus Hochschulen, Instituten und Behörden werden dadurch zu oft ungewohnter Bürger(-mit)arbeit gewonnen.

    Diese 8 Chancen bestehen wohl für Bürgerinitiativen und Umweltverbände gleichermaßen. Aus dem pädagogischen Blickwinkel unterscheiden sie sich in den Zielen ihrer Umwelterziehung mehr oder weniger stark.

    Eine regionale Bürgerinitiative hat die wohl besten
    Bedingungen des Lernens:
    * Die Wissensvermittlung ist nachbarschaftliches und gemeinsames
      Lernen;
    * es besteht eine unmittelbare Notwendigkeit, um Kenntnisse zu
      erwerben;
    * das Gelernte muß gleichzeitig von besser und von schlechter
      informierten Personen vertreten werden.
    
    Ein Umweltverband hat bessere Bedingungen des Lehrens:
    * Er verfügt über verbandsinterne Experten, Referenten und wissen-
      schaftliche Beiräte;
    * innerhalb der großräumigen Verbände werden mehr Erfahrungen ge-
      sammelt und Informationen besser weitergegeben;
    * Unterrichtshilfen werden besser bekannt gemacht (in den Verbän-
      de-Mitteilungen) und Medien häufiger verwendet.
    

    So weit die Auswahl einiger Chancen. Aber natürlich hat ein privates Umweltengagement auch Zwänge und Nöte, von denen einige genannt werden müssen:

    * Ehrenamtliche Mitarbeiter sind kaum zu Terminen zu verpflichten.
    * An Geld fehlt es häufig.
    * Akademische Verbalklimmzüge an Scheiproblemen sind unvermeidbar.
    * Bei abgewürgten guten Aktivitäten stellt sich harter Frust ein.
    * Viele Umwelterzieher in den Verbänden sehen nur andere Personen
      als Ziel ihrer Bemühungen, nicht aber sich selbst.
    * Verbandsökonomen lassen Umwelterziehung oft nur als Instrument
      zur Mitgliederwerbung zu und nicht als sebstverständlichen Service.
    * Drängende Termine bewirken eine Hektik, es fehlt an Zeit für
      eine systematische Umwelterziehung. So fehlt es dann oft an
      einer nachhaltigen Wirkung, aber auch an einer fundamentalen
      Orientierung der Mitglieder einer Aktionsgruppe.
    * Viele pädagogische Ausarbeitungen zeigen die Mängel 'neuheit-
      licher' Erziehungskonzepte. So haben manche gutgemeinte Quiz-,
      Ralley- und Ausstellungsbegleitbögen für Schüler als Besucher
      oder Teilnehmer einen peinlichen Lückentextaufbau. Sie folgen
      damit dem pädagogischen Prinzip des "store and recall", mit dem
      man früher Schillergedichte aufsagt und heute Molikularbiologie
      unterrichtet.
    

    Trotz vieler Zwänge und Fehlgriffe haben wir in den Umweltverbänden stets die Chance, selbst immer wieder neu dazuzulernen, Fehler schnell zu korrigieren und die Möglichkeit unserer pädagogischen Nische besser zu nutzen.

    3. Konkrete Konzepte zur Umwelterziehung

    Die privaten Aktinsgruppen haben in der Praxis eine quasi Feuerwehrmentalität: Einsatz mit aller Kraft dort, wo es brennt. Und dort findet dann auch die Umwelterziehung statt, z.B. als Vortragsreihe über Atomenergie, als Exkursionsprogramm zum Waldsterben, als Praktikum zur Abwasseranalytik und Gewässergütebestimmung oder auch als Nachmittagsveranstaltung zur Sperrung einer Durchgangsstraße.

    Viele solcher Veranstaltungen werden von den Bürgerinitiativen und Umweltverbänden in eigenen Programmen, in der Tagespresse oder in den Programmen der Bildungsträger (Volkshochschule, Kirchen etc.) angeboten. Diese Umwelterziehung ist also auf die breite Öffentlichkeit ausgerichtet. Die Referenten sind in der Regel bereit, ihre Seminare und Kurse auf andere Bildungsprogramme (z.B. die Schule) abzustimmen.

    Einzelne Gruppierungen packen nun selten mehrere Brennpunkte unserer Umweltprobleme gleichzeitig an, daher wird auch selten ein systematisches Konzept zur Umwelterziehung formuliert. Dies ist eine Aufgabe der größeren Verbände, die dazu Arbietskreise eingerichtet haben.

    Ich will hier ein Konpept des BUND e.V. gekürzt und beispielhaft für die Arbeit anderer Verbände wiedergeben (Entwurf eines Positionspapiers im Arbeitskreis Umwelterziehung des BUND). Ausführlichere Einzeldarstellungen und Erfahrungsberichte zu den einzelnen Positionen, in der Zeitschrift "natur" oder auch in den Sonderheften vieler pädagogischer Zeitschriften zur Umwelterziehung.

    1. Umwelterziehung "Intern"

    1.1 Beratungen

    1.1.1 Materialien Alle BUND-Gruppen stellen von ihnen hergestellte regionale und überregionale Materialien für Interessenten im Verband zur Verfügung (Austellungen, Flugblätter, Aktionsprotokol- le, Broschüren, Diaserien, Zeitungstexte usw.). Hinweise dazu stehen in den Kreisgruppenrundbriefen, in der Ver- bandszeitung "Natur und Umwelt" oder in den Geschäftsstel- len des BUND.

    1.1.2 Referenten Zu verschiedenen Themen haben sich Referenten im Verband auf einige Vermittlungsformen spezialisiert (Diavorträge, Exkursionen, praktische Naturpflege). Referentenlisten sind in Arbeit. Oft erfahren die BUND-Gruppen durch Mundpropaganda oder bei großen Naturschutztreffen von Referenten.

    1.1.3 Informationen Briefliche und telefonische Anfrgen von Mitgliedern werden im Arbeitskreis Umwelterziehung direkt oder von anderen Informationsquellen bearbeitet. Wenn telefonische Hinweise nicht ausreichen, sind oft persönliche Treffen mit Gruppen leitern oder Besuche in der Gruppe selbst nötig. Eine sehr aufwendige thematische Beratung wird von H.Klemp, Kiel zu der Kampagne "Mehr Natur in Dorf und Stadt" geleistet. Gemeinsam mit den Zeitschriften "natur" und "ökopäd" hat der "Lehrerservice" eine Telefonberatung für Fragen in der Umwelterziehung aufgebaut.

    1.2

    Schulungen

    1.2.1 Seminare An Wochenenden oder auch an Wochentagen bietet der BUND oft gemeinsam mit Bildungsträgern (Volkshochschule, Ländliche Erwachsenenbildung, alternativen Bildungsträgern, Kirchen, Gewerkschaften usw.) Seminare an. In Verbindung mit regelmäßigen Kreisgruppentreffen wird oft auch eine Seminar-Wei terbildungszeit eingeräumt.

    1.2.2 Praktika Praktische Anleitungen im Freiland, am Ort des Umwelt- Skandals usw. gibt es zunehmend mehr. Die Dauer ist bis zu vier Wochen (Ökoporaktikum in der Station Umwelterziehung in Iffens).

    1.3 Gestaltungen

    1.3.1 Treffpunkte Jede BUND-Gruppe ist aufgefordert, mindestens einen Ort, an dem regelmäßige Treffen stattfinden, mit Wandbildern, Baustoffen usw. so zu gestalten, daß dieser Ort an lokale Natur und Umwelt erinnert. Ebenso sollten Treffpunkte zur Information der Öffentlichkeit gestaltet werden (Schaufenster, Ausstellungen usw.).

    1.3.2 Lernorte Dies sind Orte, die für lokale und überregionale Gruppen bei der Vermittlung von Themen des Umwelt- und Natur- schutzes helfen. Wir fördern im BUND die Einrichtung solcher Orte, an denen sachkundige Betreuung, besonders Biotop- oder Umweltbelastungsbeispiele vorhanden sind. Oft sind dies Tagungshäuser mit Übernachtungsmöglichkeiten, mit Arbeits- und Laborräumen, mit Spielräumen. Und oft wohnen dort ständig Betreuer, die am Lernort ein reguläres Handwerk, einen Bauernhof oder z.B. auch ein alternatives Ingenieurbüro betreiben. In der Liste der Einrichtungen zur Umwelterziehung sind viele solcher Lernorte verzeichnet.

    2. Umwelterziehung nach "Außen"

    2.1 Kooperation mit Erziehungs-Einrichtungen

    Die Zusammenarbeit soll auf möglichst breiter Basis gesche- hen, einige Schwerpunkte können jedoch besonders betont werden:

    2.1.1 Kindergärten Hier ist vorrangig Spielzeug aus Naturmaterialien bereitzu stellen, Innen- und Außenräume der Kindergärten naturnaher zu gestalten und den Kindergruppen der Zugang zu naturnahen Gebieten (Stadtwald, Teiche, Wiesen usw.) zu erleichtern.

    2.1.2 Schulen * Regelunterricht: Bei der Ausarbeitung und bei der Regio- nalisierung einer ortsfremden Unterrichtseinheit sind von den BUND-Gruppen Auskünfte und ggf. auch mithilfen möglich.

    * ergänzende Aktionen: Begleitend zu Unterrichtseinheiten können Aktivitäten durch die BUND-Mitglieder betreut wer den, z.B. Schulgartenanlage, Teichanlage, Ferienbetreuung von Schulbiotopen, Ausstellung von Unterrichtsergebnissen, Herstellung von Projektberichten. Dies ist immer dann nötig, wenn die Zeit des Schulunterrichts für eine umfassende Behandlung des Themas nicht ausreicht.

    * Exkursionen: Für die Planung und auch für die Mitbetreu- ung von Studienfahrten und kurzen Ausflügen kann die Fachkunde der BUND-Gruppen herangezogen werden.

    * Projektunterricht: Da hier der klasische Stunden- und Kurstakt aufgelöst ist, werden sehr oft die Umweltverbände zu einer Mitarbeit, Diskussion und Referaten gebeten. Auch bei der Nacharbeit von Projektwochenthemen ist Hiflestel- lung bei den Schulgruppen willkommen.

    * Räume und Geräte: Manche Zusammenarbeit ergibt sich, weil die lokale BUND-Gruppe Räume der Schule nutzt und Lehrer direkt Fortbildung für die Gruppenmitglieder machen.

    2.1.3 Hochschulen * Exkursionen: Im BUND gibt es ein Projekt zum Angebot alternativer Lernorte an wissenschaftlichen Hochschulen. Diese Orte können als Exkursionsorte unter Nutzung der Fachkenntnis lokaler Betreuer oder als Studienorte für Aus bildungspraktika genutzt werden.

    * Themenbezogene Arbeit: Viele Expertisen für den BUND werden an wissenschaftlichen Hochschulen ausgearbeitet. Viele sachbezogene und pädagogische Fragestellungen werden an Hochschulgruppen herangetragen, um eine wissenschaftliche Hinterfragung anzustellen. Dabei ergibt sich eine Kooperation mit Vorträgen, Seminaren und ggf. auch Tagungen in Hochschulen oder unter der Leitung von Hochschullehrern.

    * Hochschuldidaktik: Hier ist der BUND als Vertreter all täglicher Belange von Natur und Umwelt bemüht, mögliche naturferne und oft hochspezialisierte, einseitige Arbeitswei- sen aufzulösen, um aus Hochschulabsolventen keine weltfer nen Fachspezialisten ohne Alltagskompetenz zu machen. Zu dieser Frage wurden einige Veranstaltungen mit studentischen Fachschaften abgehalten.

    2.1.4 Erwachsenenbildung Viele Kurse des BUND werden mit den Erwachsenenbildungseinrichtungen zusammen gemacht. Dabei kann auch auf andere Kursangebote eingewirkt werden, um in diesen mehr Augenmerk auf Natur und Umwelt zu lenken. Auch die Werbung um Teilnehmer ist oft durch die Umweltverbände dringend geboten.

    2.1.5 Kultus-Behörden Eine intensivere Zusammenarbeit mit den Kultusbehörden ist dringend notwendig. Sie ist jedoch durch die Landeshoheiten im Bildungsbereich sehr erschwert.

    2.2 Kooperation mit anderen Gruppen

    2.2.1 Elternhaus Für Eltern werden viele Broschüren zu verschiedenen Themen des Umwelt- und Naturschutzes gestaltet und verteilt. Oft ist die Herstellung dieser Informationen nur mit staatlichen Geldern möglich. Die Verbände haben wohl den einfachsten Zugang zu den Haushalten, um dort praktizierte Umwelterziehung anzuregen.

    2.2.2 Vereine und Verbände, die Natur und Umwelt auch oder unter anderen Prioritäten behandeln. Solche Gruppen sind Angler, Jäger, Sportbootfahrer, Segler, Landwirte, Waldbauern, Imker, Kleingärtner usw., die fachinterne Aus- und Fortbildung anbieten. In diese Kurse kann ein Umweltverband als Referent oder Mitwirkender eingeladen werden, um seine Sicht von Natur- und Umweltschutz zu vertreten.

    4. Kooperation der Verbände in der Umwelterziehung

    Die deutschen Umweltverbände sind nicht einheitlich strukturiert. Dadurch hat jeder Verband sein eigenes Image, seinen Stil und auch seine Kontakte; auch die Aktivitäten in der Umwelterziehung sind unterschiedlich. Natürlich besteht hier ein großer Mangel an Kooperation; Doppelarbeit und Mißverständnisse sind häufig. In der Praxis kooperieren die Verbände trotzdem recht gut. Einerseits sind viele PädagogInnen in mehreren Gruppierungen engagiert und andererseits ist es viel ökonomischer und effektiver. Im Alltag solcher Zusammenarbeit zeigt es sich immer wieder, daß ProjektleiterInnen, die sich mit guten Absichten an mehrere Verbände wenden, oft Probleme schaffen. Daher seien hier vier Bitten formuliert, die vielen fast selbstverständlich erscheinen:

    * Wenn Sie mehrere Gruppierungen um Mithilfe bei Projekten bitten, tun Sie dies bitte offen und regen Sie auch Vorgespräche der GruppernvertreterInnen an.

    * Die praktische Umwelterziehung vor Ort ist fast immer kritisier- bar. Nageln Sie also nicht eine Gruppe nur auf einigen Fehlern fest, sondern versuchen Sie für Ihr Umweltprojekt von dieser Gruppe die positiven Möglichkeiten zu nutzen.

    * Im Unterrichtsgespräch werden oft die Strategie und die Erfolge der Verbände für die Weckung eines Umweltbewußtseins erörtert. Gehen Sie dabei bitte vorsichtig mit der Grenze zwischen Umwelterziehung und Öffentlichkeitsarbeit um. Wird z.B. für die Öffentlichkeitsarbeit einer Gruppierung ein Umweltproblem extrem stark aktualisiert, so kann der erhoffte "pars pro toto"- Effekt eintreten. Sehr oft kehrt sich dies jedoch um in ein Alibi- Engagement, um im allgemeineren Umweltverhalten nicht umdenken zu müssen.

    * Nutzen Sie bei Ihren pädagogischen Programmen möglichst oft die Mithilfe der Verbände, aber sagen Sie konkret genug, was Sie beabsichtigen. Etwa jede zehnte Anfrage, die wir in der Station Umwelterziehung bekommen, lautet: "Ich möchte in der Schule eine Unterrichtseinheit zum Umweltschutz machen. Bitte schicken Sie mir alles geeignete Material."

    Glücklicherweise haben wir bereits viele Beispiele für gute Kooperation der Verbände und Bürgerinitiativen: in Tagungen, Arbeitstreffen, Jugendgruppen, Publikationen etc. Als Beispiel dazu - das sicher auch allgemein gilt - sei hier der "Lehrerservice" vorgestellt: Der Lehrerservice ist eine Zeitschrift, die seit 1980 erscheint. Der Name bedeutet aber auch weitergehenden Service: Beratung, Seminarangebote zu den Themen der Hefte und Materialzusammenstellungen, die über den Rahmen eines Heftes hinausgehen. Lehrerservice ist eine Kooperation von vier Verbänden in der Umwelterziehung (BUND, DBV, WWF, DUH). Wie es dazu kam, will ich hier kurz darstellen.

    Der schweizerische Umweltverband WWF-Schweiz begann 1974, Themen für Lehrer aufzuarbeiten. Zunächst geschah dies, wie in Deutschland auch, indem Unterrichtseinheiten geschrieben wurden, die deutlich die Belange von Natur und Umwelt berücksichtigten. Dann wurde der Lehrerservice WWF-Schweiz als Informationsblatt dazu (viermal im Jahr mit etwa 8-10 Seiten Umfang) herausgebracht. 1978 übernahm der BUND in Freiburg diese Idee und startete den BUND-Lehrerservice. Nun war eine reine Nachahmung des schweizerischen Konzeptes nicht möglich, da die deutsche Bildungs-Szenerie und auch der deutsche Umweltverband anders strukturiert sind. Wir haben zunächst etwa ein Jahr nach den besonderen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten für einen Lehrerservice des Umweltverbandes in der BRD gesucht. Wichtig war uns, nicht mit anderen Zeitschriften im Bildungsbereich konkurrieren zu müssen, also eine Nische zu finden, in der wir eine andere Art der Umweltwerziehung machen könne. Es ergaben sich dadurch für den Lehrerservice neue Leitlinien, die wiederum deutlich die Aufgaben und Möglichkeiten der Verbände in der Umwelterziehung zeigen:

    * Alle Pädagogen ansprechen Obwohl die Zeitschrift "Lehrerservice" heißt, gelang es uns, mehr als ein Drittel der Abonennten aus den nicht-schulischen Erziehungsbereichen zu gewinnen (Vertreter der Kirchen, Jugendgruppenleiter und Leiter von Naturschutzgruppen). Wir haben uns bemüht, auch in den Beiträgen die Grenze zwischen Schule und Nachmittag aufzulösen, damit der Prozeß der Umwelterziehung nicht die Sache weniger Stunden am Tag bleibt.

    * Ideenbörse Zu festgelegten Themen haben wir in einer Ideenbörse kurze unkonventionelle Ideen gesammelt. Damit soll sowohl der Einstieg in ein Thema erleichtert als auch der gesamte Ablauf einer Bildungseinheit aufgelockert werden können. Solche Ideensammlungen hat auch der schweizerische Lehrerservice (Mitbewerb) gemacht. Wir haben diese Aufgabe jedoch sehr viel stärker betont, weil dies auf dem deutschen Markt neu war (nur bei Industriekursen waren Ideenbörsen bekannt). Zu den Ideenbörse-Themen schicken jeweils etwa 20-40 Abonnenten (von ca.1000) Beiträge ein.

    * Neue Beiträge Wir haben versucht, neue Beiträge zu bringen, die in andere Unterrichtseinheiten oder Zeitschriftenkonzepte nicht hineinpassen. Wir machen methodische Vorschläge, die oft anderen Autoren zu alltäglich oder wohl auch zu 'einfach' sind. Deswegen bleiben in der pädagogisch-wissenschaftlichen Literatur solche, für den Unterricht dringend notwendigen kleinen Tips leicht auf der Strecke. Viele Themen (Mißbrauch von Atommüll etc.) sind anderen Institutionen oder Zeitschriften sicher auch zu 'heiß', so daß wohl nur Umweltverbände solche Themen für den Unterricht vorschlagen und aufarbeiten können.

    * Spaß und Witz Auch wenn in der Umwelt vieles zerstört wird, sollten wir doch zumindest einigen Galgenhumor aufbringen, damit die Umwelterziehung nicht auch noch völlig lustlos und mutlos wird. Deswegen haben wir im Lehjrerservice möglichst verblüffende witzige Ideen bevorzugt. Den Ökowitz haben wir 1980 in einer Ideenbörse ausgeschrieben - allerdings mit nur wenigen Zuschriften. (Es gab mehr Karikaturen als Witze.) Trotzdem sehen wir im Ökowitz eine wichtige Aufgabe für die Umwelterziehung in den Verbänden, denn wie sollen wir etwas schützen und pflegen, wenn wir uns den Spaß daran nehmen. Nun wird in der Pädagogik heute mehr gekalauert als gelacht, jedenfalls ist Erziehung in der allgemeinen Auffassung etwas zu Ernstes. So ergibt sich für Spaß und Witz eine Möglichkeit im Lehrerservice, die er unbedingt nutzen muß.

    * Beratung Viele Probleme der Pädagogen sind nicht verallgemeinerbar. Hier ist eine Beratung am Telefon oder ein Brief nötig, um in einer bestimmten Situation zu helfen. Dafür haben wir im Lehrerservice gemeinsam mit "natur" und "öko-päd" eine Telefonberatung für verschiedene Themen, die in cer Umwelterziehung wichtig sind, eingerichtet. Weiterhin beraten wir sehr viele Examensarbeiten oder auch solche Personen, die sich über Berufs- bzw. Studienmöglichkeiten im Umwelt- und Naturschutz unterrichten möchten. Bessere Möglichkeiten intensiveren Erfahrungsaustausches ergeben sich bei den Themen-Seminaren des Lehrerservice. Diese wurden bisher in der Ökostation Bremen, in der Station Umwelterziehung in Iffens und werden demnächst auch in der DBV-Station Sunder veranstaltet. Durch die direkten Gespräche und Zuschriften ist es den Redakteuren des Lehrerservice leicht gemacht, nach dem Motto "aus der Praxis für die Praxis" zu verfahren.

    Der Lehrerservice erschien zunächst mit 16 Ausgaben als Loseblattsammlung, einfach gestaltet und hektographiert (Der Lehrerservice erschien zunächst mit 16 Ausgaben als Loseblattsammlung, einfach gestaltet und hektographiert (mit vier Ausgaben pro Jahr). 1983 zeigten die Umweltverbände DUH (Deutsche Umwelthilfe), WWF-Deutschland und der DBV Interesse an einer pädagogischen Arbeit. Dadurch ergab sich eine bessere Finanzierung (der Lehrerservice ist immer ein Zuschußgeschäft für die Verbände!), und die Redaktion wurde erweitert. Eine bessere Gestaltung war nun möglich. Auch die Abonnentenzahlen steigen seit 1984 stetig an. Für den selben Abopreis (24,-- DM für Mitglieder der Verbände, 30,-- DM für Nichtmitglieder) gibt es jetzt 5 Hefte mit je ca. 40 Seiten Text (Bezug: Verlagsgesellschaft BUND GmbH, Erbprinzenstr. 18, 7800 Freiburg).

    Natürlich haben mit der 'Professionalisierung' dieser Zeitschrift die Verbände ihre pädagogische Nische verlassen und eine Konkurrenz mit anderen pädagogischen Zeitschriften ist möglich. Trotzdem versuchen wir, unsere Aufgaben und unser Selbstverständnis bei den genannten fünf Punkten zu belassen.

    Diese Kooperation der Verbände in der Umwelterziehung hat sich sehr gut entwickelt. Natürlich geht nicht alles reibungslos, weil solche Zusammenarbeit noch selten gemacht wird. Aber es war allen klar, daß sich hier die gemeinsame Aktion "Lehrerservice" lohnt. Fünf Hefte mit je ca. 40 Seiten Text (Bezug: Verlagsgesellschaft BUND GmbH, Erbprinzenstr. 18, 7800 Freiburg).

    5. Schlußbemerkung

    Die Aufgaben und Möglichkeiten der Umweltverbände und Bürgerinitiativen, zur Umwelterziehung beizutragen, sind breit gestreut: Sie reichen von der lokalen Beratung bis zum landesweiten "Lehrerservice". Ihre Vorteile sind geprägt durch handfeste Ortskenntnisse, aktive Mitarbeit im Umweltgeschehen, Unabhängigkeit von Verwaltungs- und Schulbürokratien und spontane Reaktionsfähigkeit. Die Grenzen der Schullehrpläne werden geöffnet in den Erlebnisraum des eigenen Wohnumfeldes. Die Verbände haben diese Chance erkannt und genutzt. Sie stehen heute als entscheidende Partner neben dem formalen Schulwesen und dem gesamten Bereich der außerschulischen Aus- und Fortbildung an vorderster Stelle in dem Bemühen um eine systematische Verstärkung des Umweltbewußtseins in unserem Lande.

    Lehrer und Ausbilder aller Bildungsbereiche sollten das vorhandene Potential zunehmend nutzen und die Angebote der Umweltverbände und Bürgerinitiativen in ihre tägliche Arbeit einbeziehen.

    Literatur:

    Brun, R. (Hg.): Der grüne Protest, Frankfurt/Main 1978

    Lehrerservice (1984), H 21 - Themenheft: Aktionen

    Liedloff,J.: Auf der Suche nach dem verlorenen Glück, München 1980

    Lob,R.E.: A case of action-oriented non-formal environment edu- cation, in Prospects 15 (1985), H 4, 597-605

    Meiners,W./Schulz,E.: Jugend Aktionsbuch Natur und Umwelt, Baden-Baden 1984


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