Thema dieses Beitrags soll also die Vergleichbarkeit von Ökosystemparametern (Umweltfaktoren) für verschiedenen Lebewesen sein. Die Grundüberlegungen können in verschiedenen Fächern in das eigene Unterrichtskonzept eingefügt werden:
1. Anpassung der Lebewesen an Umweltfaktoren während der Evolution.
Immer wieder ist ein beliebtes Thema im Unterricht die verblüffende
Vielfalt, mit der sich Lebewesen an die z.B. physikalischen Parameter ihres
Lebensraumes angepasst haben.
Etwas schwerer zu verstehen ist schon , wie sich Lebewesen auf die
Bandbreite der Veränderung solcher Parameter eingestellt haben.
So können wir als Menschen bei verschiedenen Temperaturen leben,
und benutzen dazu natürlich auch Hilfsmittel. Manche solcher Parameter
dürfen in einem sehr grossen Bereich schwanken, ohne den Organismus
erheblich zu stören. Dazu gehören z.B. Helligkeit, Schallstärke
und eben auch der "Säurewert". Diese Anpassungen haben einen wichtigen
Sinn, denn der Mensch hat sich während der Evolution mit diesen Werten
in seiner unmittelbaren Umwelt auseinandersetzen müssen, er hat diese
Bandbreite der Veränderungen überleben müssen.
2. Der pH-Wert in der Umwelt des Menschen
Den Säure-Wert messen wir in der Konzentration der "Wasserstoffionen"
und drücken die Maßzahl als Zehnerpotenz, als pH-Wert, aus.
Nun hat schon der Chemieunterricht Probleme diese Darstellung des negativen
Dekadischen Logarithmus anschaulich zu machen, vielleicht können Beispiele
wie dieses oder wie das vom sauren Regen diesen mathematischen Formalismus
an alltäglichen Effekten erklären. Ich will mich hier auf die
Fragestellung beschränken: Wie gross ist der Bereich der Veränderung,
den wir als Menschen vertragen ?
Der Konzentrationsunterschied an Säure (Wasserstoffionen) zwischen
neutralem Trinkwasser und Zitronensaft beträgt etwa fünf pH-Wert
Stufen, das bedeutet ein Säurekonzentration, die hunderttausend mal
stärker ist. Dieser Säurewert schädigt unsere Haut kaum,
sie hat es eben gelernt, damit umzugehen. Weil solche Säurekonzentrationen
in der normalen Umwelt des Menschen schon immer vorgekommen sind.
3. Der pH-Wert in der Umwelt der Fische
Nordseefische kennen keine Unterschiede in der Säurekonzentration ihres Lebensraumes. Das Nordseewasser hat auch Salze schwacher Säuren und schwacher Basen wie zB Kalk gelöst und ist damit ein gutes Puffersystem. Die Fische haben in ihrer Evolution also auf die Veränderung von pH-Werten keine Rücksicht zu nehmen brauchen. Ihre Haut ist nicht besonders gegen Verätzungen durch Säuren geschützt, weil es zum Überleben nicht nötig war. Wieviel Veränderung der Säurekonzentration können wir den Fischen zumuten ? Und wie machen es wir den entscheidenden Politikern klar, daß "nur eine pH-Stufe" eben doch schädlich für die Fische sein kann ?
4. Auch der Mensch ist empfindlich
In der Umwelt des Menschen gibt es auch solche Ökosystemparameter,
die sich im Verlaufe seiner biologischen Entwicklung nicht verändert
haben. Solch ein Wert ist die Sauerstoffkonzentration in unserer Atemluft.
Sauerstoff ist für unser Leben zweiffellos sehr wichtig, aber wir
haben in unserem Körper noch nicht einmal ein Erkennungssystem für
die Sauerstoffkonzentration. Wir regeln unsere Atmung über die Konzentration
an Kohlendioxid. Grössere Veränderungen in der Sauerstoffkonzentration
machen uns starke Probleme, verringern wir sie von ca. 21% auf 7% , dann
kann nach drei Minuten bereits Bewusstlosigkeit eintreten, bei 5% Sauerstoff
in der Atemluft schaltet unser Gehirn bereits nach 80 Sekunden ab.
Verändern wir die Sauerstoffkonzentration um nur eine Zehnerpotenz,
also um eine "pH-Stufe" , dann sind wir in 30 Sekunden bewusstlos.
"Leichte" Veränderungen der Sauerstoffkonzentration bewirken
beim Menschen keine schnellen Zeichen von Krankheit. Nach längerer
Zeit in "verbrauchter" Luft bemerken wir aber Konzentrationsmangel, Müdigkeit,
die Arbeitsleistung sinkt, die Fehlerhäufigkeit steigt. Mit ständigem
tiefen Durchatmen können wie den Mangel in Grenzen ausgleichen, aber
keinesfalls in dem Umfang von einer Zehnerpotenz.
Haben wir nun eine zusätzliche Belastung wie zB Erschöpfung,
Hunger oder eine leichte Infektion, so kann sich zusammen mit dem Sauerstoffmangel
ein sichtbarer Gesundheitsschaden entwickeln.
5. Vergleichbarkeit von Umweltfaktoren
"Ärger nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du
den Schmerz" haben wir in der Schule gelernt, eine moralische Ermahnung,
deren Umkehrung wir auf keinen Fall als Entscheidungshilfe bei der Genehmigung
von Umweltverschmutzungen anwenden dürfen :
Was ich nicht merke, schadet auch dem Tier (Fisch) nicht.
Mir ist nicht bekannt, ob das Glas mit verdünnter Dünnsäure
dem mutigen Industrievertreter nun geschadet hat, oder nicht. Die technische
Dünnsäure aus der Produktion des Werbe-Weißen Titandioxids
enthält eine breite Palette verschiedenster anderer Schadstoffe, die
für Fische und für Menschen gleichermaßen giftig sind wie
z.B. Quecksilber, Arsen usw.
Und natürlich kann der Dünnsäuretrinker , nachdem die
Fotoapparate der Presse sich abwenden, dann mit genügend viel anderen
Getränken nachspülen. Eben das kann der Fisch im Verklappungsgebiet
vor Helgoland nicht, er ist der Säure lange Zeit ausgesetzt. Wie die
Einwirkungsdauer einer Säure auf die Haut wirkt können wir selbst
leicht ausprobieren, halten wir unsere Hand doch mal einige Zeit in frischen
Zitronensaft.
6. Wohin also mit dem bischen Säure?
Wir werden auch in der Schule immer mehr die Eigendynamik und Verneztung von Ökosystemparametern besprechen. Beispiele mit hoher Aktualität helfen uns dabei die Rolle naturwissenschaftlicher Parameter bei wirtschaftlich und politischen Abschätzungen zu erkennen. Am Ende wird aber oft die Frage kommen " was soll denn die Behörde oder der Produzent der Dünnsäure tun ?" .
Dünnsäure - an Politiker verteilen?
- wieder aufarbeiten?
Titandioxid - nicht verwenden?
- anders herstellen? usw.
Dabei entwickel SchülerInnen oft viel mehr Phantasie als die politischen Entscheidungsträger, und wir sollten sie, auch wenn es nicht unmittelbar zum Unterrichtsthema gehört, zulassen. Nur können Lösungsvorschläge in der Schule wohl nicht ausdiskutiert werden. Wenn die Schüler jedoch die Gefahr der Dünnsäure für die Fische logisch verstanden haben ist auch die Chance höher, daß Handlungsalternativen im Alltag und im späteren Beruf nachhaltig umgesetzt werden.